POL-AA: PP Aalen: Enkeltrick, Schockanruf, Gewinnversprechen und Inkassodrohungen, jeden kann es treffen – ein Gespräch mit der Leiterin der Kriminalinspektion Wirtschaftskriminalität

14.09.2015 – 09:34

PP Aalen (ots) – „Enkeltrick, Schockanruf, Gewinnversprechen und Inkassodrohungen, jeden kann es treffen, viele hat es schon getroffen und ganz viele wird es noch treffen“, das sagt Kriminaloberrätin Heike Seitzer, und die Frau weiß wovon sie spricht, denn sie ist als Chefin der Kriminalinspektion 3 für den Kampf gegen die größeren und die großen Betrügereien im weiten Bereich des Polizeipräsidiums Aalen zuständig. „Wir können die Anrufe nicht verhindern, wir können nur hoffen, dass unsere Warnungen möglichst viele Menschen erreichen.“

Betrügereien gibt es wohl schon immer, spätestens seit die Menschen Handel treiben, gibt es dafür auch überlieferte Nachweise. Doch wurden früher Naturalien gepanscht oder die Gewichte, mit denen die Waren aufgewogen wurden, manipuliert, bedienen sich die heutigen Betrüger der modernen Medien oder benutzen immer noch einfach das Telefon, um an das Geld der Anderen zu kommen.

Die Betrüger setzen ihrer Phantasie beim Erfinden von Geschichten, warum ihnen jemand Geld geben sollte, keine Grenzen. Die Polizei empfiehlt deshalb jedem, grundsätzlich alle Geschichten, die einem am Telefon aufgetischt werden, kritisch zu hinterfragen, ganz egal, wie gut und plausibel sie klingen mögen. Und auch ganz egal, wer da scheinbar am anderen Ende der Leitung spricht. Ob seriös klingende Männer Hilfe anbieten, ob freundlich auftretende Frauen Versprechungen machen, ob versprochen oder gedroht wird, am Ende der Verhandlungen soll immer Geld fließen. Gutes Geld. Ihr Geld. Für nichts.

Und nun stellt die Polizei im Aalener Präsidium fest, dass derzeit gerade bei den Betrugsversuchen am Telefon noch einmal aufgerüstet wird. „Früher war es ein einzelner Anrufer, der versuchte, an das fremde Geld zu kommen, heute sind es oft mehrere, die aufeinander aufbauen“, weiß die auf Wirtschaftsbetrug spezialisierte Kriminalistin. „Und es sind Geschichten, die uns allen bekannt vorkommen. Die Menschen kennen solche Abläufe aus schon selbstgemachten Erfahrungen mit Behörden oder haben davon in der Zeitung gelesen oder in Fernsehkrimis gezeigt bekommen. Man fühlt sich seltsam vertraut mit den Sachverhalten, weshalb die Alarmglocken nicht schrillen, zumindest nicht sehr laut schrillen.“

In Weinstadt/Rems-Murr-Kreis lief es kürzlich zunächst wie ein „normaler Enkeltrickanruf“ ab. Der vermeintliche Sohn der Lebensgefährtin rief seinen Stiefpapa an und bettelte ihn um Geld an. 35000 Euro würde er dringend und sofort bei einem Notar benötigen, sonst würde ein Grundstückskauf platzen. Der „Stiefpapa“ war durchaus zur Hilfe bereit und zahlungswillig. Und dann erhielt der Mann auch noch einen Anruf eines vermeintlichen Polizeibeamten, der ihm erzählte, dass man hinter einer Betrügerbande her sei, die am Telefon Geld erschwindeln will. Er möge doch auf die Forderungen eingehen, die Polizei werde ihn observieren und er werde sein Geld zurückbekommen. Der Betrugsversuch scheiterte erst, weil so viel Geld nicht so schnell zur Verfügung stand, die Übergabebedingungen geändert wurden und dann niemand zur Abholung kam.

In Schechingen/Ostalbkreis hat vor kurzem eine 78-jährige Frau nur deshalb ihr Erspartes nicht verloren, weil eine misstrauische Bankangestellte die Überweisung im letzten Augenblick verhinderte. Die Seniorin hatte einen Anruf erhalten, dass sie für das-und-das nach dort-und-dort Geld überweisen sollte. Sie war misstrauisch, wusste, dass sie nichts bestellt hatte und wusste, dass es Betrüger gibt. Also hatte sie nicht vor, zu zahlen. Bis sich die Polizei bei ihr meldete und ihr von dem Betrüger erzählte, der sie angerufen hatte. Die Polizei war hinter dem Betrüger her und wollte ihn fangen. Aber dazu suchten sie Menschen, die ihnen helfen konnten. Und so ein Mensch war die 78-Jährige. Sie sollte mitspielen, das geforderte Geld überweisen, die Polizei ist dann da, nimmt den Betrüger fest und die Frau bekommt ihr Geld zurück. Der Seniorin leuchtete ein, dass die Polizei Hilfe braucht, sagte zu und ging zur Bank.

„Die meisten Leser werden bemerkt haben, dass es natürlich nicht die Polizei war, die da angerufen hat, sondern dass sich der Betrüger nur als Polizist ausgegeben hat“, vermutet Heike Seitzer. Aber so einfach ist das nicht, wenn man alleine am Telefon ist, niemand um Rat fragen kann und aus der Situation heraus entscheidet. Seitzer: „Die Polizei engagiert am Telefon keine Hilfsermittler und verlangt telefonisch von niemandem sein Geld einzusetzen, damit die Polizei zugreifen kann. Seien Sie misstrauisch, rufen Sie die Polizei, die den Anruf überprüfen kann. Gehen Sie nie, gar nie, auf solche Forderungen ein.“

Ein 81-jähriger Mann hat dieser Tage in Allmersbach, im Rems-Murr-Kreis, richtig reagiert und einem angeblichen Kriminalbeamten und einem angeblichen Sparkassenmitarbeiter widerstanden. Der KriPo-Mann hatte sich bei ihm gemeldet und ihm wegen eines Verfahrens wegen einer unbezahlten Lotterie-Schuld gedroht. Der Mann machte sich keine weiteren Gedanken, denn er spielte bei keiner Lotterie mit. Als dann jedoch ein wohlmeinender Bankmitarbeiter anrief, der die Forderung angeblich kannte und dem Senior dringend zur Bezahlung der Schuld riet, ließ er sich doch seine Bankdaten und sogar die PIN zu seiner EC-Karte entlocken. Nach einem weiteren Anruf eines zweiten Bankmitarbeiters hatten es dann die Betrüger vielleicht sogar übertrieben, der Senior gewann seine grundsätzlich kritische Einstellung zurück und er konnte einen Zugriff auf sein Konto verhindern.

In Welzheim nahmen die Betrüger die Rolle von Bausparkassenmitarbeitern ein. Ein fälliger Bausparvertrag sollte aus Servicegründen direkt vor Ort ausbezahlt werden. Die Gebühren sollten mittels Pay-Safe-Karten bezahlt werden. In diesem Fall hatten die Betrüger wohl eher zu dick aufgetragen, der Angerufene griff selbst zum Telefon und schaltete die Polizei ein.

Meist sind es ältere Menschen, die von den Betrügern gezielt ausgewählt werden. Und damit sind es auch meist ältere Menschen, die um ihre Ersparnisse gebracht werden. Die Polizei rät, mit seinen Angehörigen über diese Gefahr, am Telefon betrogen zu werden, intensiv zu sprechen und mit ihnen die Schritte durchzugehen, die sie im Falle des Falles berücksichtigen sollen.

„Alle diese Beispiele sind letztlich noch einmal gut gegangen. Das ist aber leider bei Weitem nicht immer der Fall. Wir wissen von einer Betrügerbande, die in wenigen Wochen mit solchen Anrufen mehr als zwei Millionen Euro erbeutete, “ weiß die erfahrene Kriminalbeamtin, „die Ermittlungen sind immer äußerst komplex und führen meist über viele Ecken ins Ausland. Oft enden diese Ermittlungen in Sackgassen, aber wir sind nicht machtlos. Die Bevölkerung kann uns zudem sehr helfen. Zum einen, indem sie misstrauisch bleibt, zum anderen, indem sie nach solchen Betrugsanrufen schnellstmöglich die Polizei einschaltet.“

Und zum Schluss gibt uns die Polizistin noch einen ganz wichtigen Tipp mit: „Bei solchen Anrufen wird oft scheinbar die Nummer nicht unterdrückt. Den Betrügern ist es dabei technisch möglich, tatsächlich die Nummer der Bank, der Bausparkasse und sogar der Polizei anzeigen zu lassen, von der sie vorgeben anzurufen. Wenn Sie diese Nummer überprüfen, werden die Angaben des Anrufers scheinbar bestätigt. Und wenn sie die Wahlwiederholung drücken, kommen Sie direkt beim Betrüger raus. Wenn Sie sich also durch einen Rückruf vergewissern wollen, rufen Sie bitte nicht unter der angezeigten Telefonnummer an, sondern wählen Sie die Telefonnummer, die Ihnen aus bisherigen Schreiben von dem richtigen Geldinstitut bekannt war. Antworten Sie auf E-Mail-Angebote nicht mit dem „Antworten-Button“, sondern geben Sie die richtige E-Mail-Adresse Ihres Bankberaters manuell ein. Rufen Sie die Polizei besser unter 110 an und nicht unter der vorgetäuschten Telefonnummer“.

Rückfragen bitte an:

Polizeipräsidium Aalen
Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 07361 580-107
E-Mail: aalen.pp.stab.oe@polizei.bwl.de
http://www.polizei-bw.de/

Quelle: news aktuell / dpa