POL-LPOLP: Bericht an den Innenausschuss des Landtags – Innenminister Reinhold Gall: „EG Umfeld hellt Bezüge zum NSU in Baden-Württemberg deutlich auf – Generalbundesanwalt prüft noch einzelne Spuren“

13.02.2014 – 10:22

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Stuttgart (ots) – Die intensiven Strukturermittlungen der im Januar 2013 vom Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg eingesetzten Ermittlungsgruppe (EG) Umfeld sind weitgehend abgeschlossen. „Diese Arbeit, die kein anderes Bundesland in diesem Umfang und dieser Tiefe geleistet hat, konnte die Bezüge des Nationalsozialistischen Untergrunds zu Baden-Württemberg in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich aufhellen“, erklärte Innenminister Reinhold Gall am Mittwoch, 12. Februar 2014, in der 19. Sitzung des Innenausschusses im Landtag. Damit lägen die wesentlichen Erkenntnisse für die Bewertung der grundsätzlichen Fragen zum NSU-Komplex nunmehr vor.

Demnach hätten sich die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vor ihrem Untertauchen zu privaten Festen und womöglich danach bis 2001 mehrfach bei Gesinnungsgenossen in Ludwigsburg aufgehalten – also weit vor dem Heilbronner Polizistenmord. Zum Tatgeschehen in Heilbronn seien durch die Ermittlungen der EG Umfeld keine weiteren belastbaren Erkenntnisse bekannt geworden. Ob ein Aufenthalt in Stuttgart 2003 weiteren Anschlagsplanungen und Tatvorbereitungen diente, sei nicht zweifelsfrei zu belegen.

Nach den bisherigen Ermittlungen der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg habe das Trio in Baden-Württemberg keine weiteren Straftaten begangen, die bislang nicht dem Trio zugerechnet werden konnten. Es gebe bisher keine Hinweise auf mit dem NSU vergleichbare Netzwerke oder Zellen in Baden-Württemberg, betonte der Innenminister. Was mögliche Unterstützungshandlungen für den NSU von Personen aus Baden-Württemberg angeht, werden einzelne Spuren vom Generalbundesanwalt noch auf strafrechtliche Relevanz geprüft. Die EG Umfeld habe bei ihren akribischen Ermittlungen überdies weitere Gruppierungen des Ku Klux Klan aufgespürt, die nach vorliegenden Erkenntnissen aber keinen Bezug zum NSU hatten.

Minister Gall räumte ein, dass bei der Aufklärung des Heilbronner Polizistenmordes individuelle Fehlleistungen nicht von der Hand zu weisen seien – nicht nur der Einsatz verunreinigter Wattestäbchen und die Jagd nach einem Phantom. „Nach allem, was ich heute weiß, ist aber ein rechtsextremistischer Hintergrund bis November 2011 nicht zu erkennen gewesen“, hob er hervor.

In die gezielten Fahndungsmaßnahmen zwischen 1998 und 2003 in Thüringen und Sachsen seien die baden-württembergischen Sicherheitsbehörden nicht ingebunden gewesen. Dass das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) die Mitglieder des NSU bei Besuchen in Ludwigsburg nicht ins Visier bekam, sei auch auf eine unbefriedigende Quellenlage in diesem Raum zurückzuführen. Allerdings sei die sogenannte Garagenliste von Mundlos damals nicht an baden-württembergische Sicherheitsbehörden weitergeleitet worden. Insgesamt hätten diese mit Blick auf den NSU im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehandelt.

Um derartige schlimme Taten künftig zu verhindern, müssten vor allem die Informationswege zwischen den Sicherheitsbehörden bundesweit verbessert werden. Einige Reformen seien bereits erfolgt, andere müssten noch von der neuen Bundesregierung umgesetzt werden. In Baden-Württemberg würden derzeit noch Arbeitsschwerpunkte und die Organisationsstruktur des Landesamtes für Verfassungsschutzes (LfV) überprüft und die parlamentarische Kontrolle verbessert, berichtete Innenminister Gall.

Im Einzelnen seien in Baden-Württemberg bereits folgende Lehren gezogen und Maßnahmen ergriffen worden:

   - Die Problematik um kontaminierte Wattestäbchen wurde intensiv       aufgearbeitet und hatte bundesweit Konsequenzen für die       kriminaltechnische Spurensicherung.    - Die Auswertung von E-Mail-Konten ist bei Kapitaldelikten       regelmäßig Bestandteil der umfangreichen Beweissicherung.    - Aktuell wird die Führungs- und Einsatzanordnung       "Sonderkommissionen Kriminalpolizei" zur Anpassung von       Ermittlungsstandards umgesetzt.    - Die Waffenbehörden, Polizei und Verfassungsschutz haben alle       bekannten Angehörigen der rechten Szene darauf überprüft, ob sie      im legalen Besitz einer Waffe sind und ob ihnen dieser Besitz       versagt werden kann. Der überprüfte Personenkreis umfasste rund       3.000 Personen.    - Einrichtung einer gemeinsamen Informations- und Analysestelle       (GIAS) von LfV und LKA. Sie soll die Informationsweitergabe       garantieren, Schnittstellen schließen und die Zusammenarbeit       unter Wahrung des Trennungsgebots verbessern.    - Einführung eines anonymen Hinweisaufnahmesystems.    - Personelle Verstärkung der Beratungs- und Interventionsgruppe       gegen 

Rechtsextremismus (BIG Rex) beim LKA.

   - Verstärkung des Bereichs Rechtsextremismus beim LfV durch       Personalumschichtung und eine entsprechend weiterentwickelte       Dienstvorschrift zu Standards für Vertrauenspersonen (VP) und       Einrichtung einer zentralen VP-Datei.    - Intensivierung der Internet-Beobachtung und der       wissenschaftlichen Analyse im Bereich Rechtsextremismus beim       LfV.    - Der Bund wird beim Aufbau einer bundesweiten VP-Datei im       Verfassungsschutz-Verbund unterstützt. 

Auf Bundesebene nannte Innenminister Gall folgende Verbesserungen:

   - Einrichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums für Extremismus und       Terrorismus-Rechts (GETZ-R) sowie die Koordinierte       Internetauswertung Rechtsextremismus (KIAR), die unabhängig von       Zuständigkeitsgrenzen das gesamte Netz auswertet.    - Seit 2012 steht bundesweit die zentrale Rechtsextremismusdatei       von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern      zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus.    - Ferner hat der Verfassungsschutz das Nachrichtendienstliche       Informationssystem NADIS WN eingerichtet, so auch das LfV       Baden-Württemberg. 

Die Bilanz unter der Lupe

Der Innenminister wies darauf hin, dass in der EG Umfeld mit Unterstützung durch die Landespolizei 19 Beamtinnen und Beamte, seit Anfang 2014 seien es noch 14, Bezüge des NSU und dessen Umfeld zu Personen aus Baden-Württemberg untersucht und damalige und aktuelle Strukturen der rechten Szene beleuchtet habe – „über das hinaus, was den Generalbundesanwalt im strafrechtlichen Sinne interessiert“. Daneben würden aber auch Ersuchen und Spuren des Bundeskriminalamts (BKA) aus den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts (GBA) mit Anhaltspunkten für Baden-Württemberg bearbeitet.

Der Minister präsentierte den Abgeordneten eine Bilanz der EG Umfeld, aber auch der Aufarbeitung der NSU-Morde durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). „Den zuständigen Ausschüssen des Landtags habe ich einen umfassenden Bericht zugesagt, jetzt liegt dieser vor“, sagte der Minister. Er wies zugleich darauf hin, dass die EG Umfeld keine eigenständigen strafrechtlichen Ermittlungen zum Mordfall Heilbronn durchführe.

Die EG Umfeld sei Hinweisen und Ansatzpunkten – und seien sie noch so weit hergeholt – mit hoher Akribie und nach bestem Wissen nachgegangen.

   - Über 500 bereits erfasste Spuren der EG Rechts und des RegEA BW       und die daraus gewonnenen Erkenntnisse seien erneut bewertet       worden (Spurencontrolling).    - Über 180 (Neu)Spuren seien durch die EG Umfeld zusätzlich       erfasst worden. Der Großteil dieser Spuren (über 150) sei       abgearbeitet.    - Ferner seien bislang 260 Maßnahmen veranlasst worden, darunter       vor allem Befragungen und Auswertungen; über 230 Maßnahmen seien      bereits abgeschlossen. 

Der Innenminister wies darauf hin, dass im laufenden Ermittlungsverfahren des GBA noch nicht alle Baden-Württemberg betreffenden Spuren, die mögliche Hinweise auf Unterstützungshandlungen für den NSU enthalten, ausermittelt seien. So lange könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Personen aus BW Beschuldigte im GBA-Verfahren werden. Darüber habe er dem Innenausschuss heute in nicht-öffentlicher Sitzung vertieft berichtet.

Konkrete Hinweise der zuständigen Behörden in Thüringen, wonach sich das Trio in Baden-Württemberg aufhalte oder Anlaufstellen in Baden-Württemberg habe, und die Anlass für ein entsprechendes Fahndungsersuchen oder -maßnahmen hätten sein können, seien nicht an baden-württembergische Sicherheitsbehörden gerichtet worden. Den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden hätten solche Hinweise auch nicht vorgelegen.

Die 1998 nach dem Abtauchen des Trios aufgefundene sogenannte Telefonliste Mundlos, welche Umfeld- und Kontaktpersonen von Mundlos in den neunziger Jahren vor dessen Abtauchen enthält, sei dem LKA erst am 30. Mai 2012 vom Bundeskriminalamt (BKA) im Rahmen der zugewiesenen Spurensachbearbeitung übermittelt worden. Diese Liste enthält vier Personen, die in Baden-Württemberg (zeitweise) ihren Wohnsitz hatten. Dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) BW sei diese Liste erstmals vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am 28. Januar 2013 übermittelt worden.

Die bisherigen Ermittlungen der EG Umfeld hätten die Verbindungen der rechtsextremen Szene aus Ostdeutschland, insbesondere Thüringen und Sachsen, mit Gleichgesinnten aus Baden-Württemberg, besonders aus den Räumen Ludwigsburg, Waiblingen, Heilbronn und Stuttgart, deutlich aufgehellt. Diese manifestierten sich vor allem in gegenseitigen Besuchen zu privaten Festen.

Es hätten keine Hinweise auf mit dem NSU vergleichbare Netzwerke oder Zellen in Baden-Württemberg erlangt werden können, unterstrich Innenminister Gall. Auch lägen keine Erkenntnisse vor, wonach das Trio bei (verdachts- und ereignisunabhängigen) Kontrollen in Baden-Württemberg angetroffen wurde.

Die bisherigen Ermittlungen der Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg hätten keinen Nachweis erbringen können, dass

   - das Trio in Baden-Württemberg weitere Straftaten begangen habe,       die bislang nicht dem Trio zugerechnet werden konnten,    - in Baden-Württemberg ein Netzwerk des Trios bestanden habe,       welches das Trio beim Leben im Untergrund (ab 1998 bis 2011)       unterstützt hätte,    - Personen aus Baden-Württemberg strafbare       Unterstützungshandlungen beim Untertauchen des Trios begangen       hätten. 

Über die beim BKA vorliegenden Erkenntnisse zum mutmaßlichen Aufenthalt des Trios beziehungsweise von Böhnhardt und Mundlos beim Heilbronner Polizistenmord im Jahr 2007 hinaus seien durch die Ermittlungen der EG Umfeld keine weiteren belastbaren Erkenntnisse zum Tatgeschehen bekannt geworden.

Die genaue Anzahl der Besuche des Trios beziehungsweise einzelner Personen des Trios in Ludwigsburg sei nicht zu verifizieren, jedoch habe es laut Zeugenaussagen vor allem von 1993 bis 1996 wiederholte Aufenthalte des Trios in Ludwigsburg gegeben. Nach lediglich einer Zeugenaussage sei das Trio beziehungsweise Teile des Trios ab Frühjahr 1993 bis Anfang 2001 in circa 30 Fällen in Ludwigsburg zu Besuch gewesen. Davon hätten allerdings nur acht Besuche durch die Ermittlungen konkretisiert werden können.

Der Aufenthalt des kompletten Trios in Ludwigsburg sei in einem einzigen Fall zu belegen, und zwar beim Besuch an Ostern 1996. Nach den Schilderungen einer Zeugin soll es zwischen 1998 bis Jahresbeginn 2001 zu weiteren Besuchen gekommen sein. Genaueres sei nicht zu belegen, berichtete Minister Gall.

Ob ein Aufenthalt von Böhnhardt und Mundlos 2003 in Stuttgart im Zusammenhang mit den im Brandschutt festgestellten Stadtplänen mit Markierungen und einem Foto von Böhnhardt in der Nordbahnhofstraße weiteren Anschlagsplanungen und Tatvorbereitungen gedient habe, sei auch nach Auswertung aller vorliegenden Spuren nicht zweifelsfrei zu belegen. Weitere Ermittlungsansätze stünden den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden derzeit nicht zur Verfügung.

Mit Blick auf die knapp 1.000 Objekte in Baden-Württemberg, die auf der sogenannten 10.000er-Liste aufgeführt werden, seien keine weiteren Tatvorbereitungen festzustellen. Ermittlungen deuteten auf eine zum Teil wahllose Sammlung, möglicherweise unter Nutzung des Internets, besonders von Objekten der CDU und der SPD sowie islamischer und türkischer Einrichtungen hin. Den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden ergäben sich diesbezüglich aktuell keine weiteren Ermittlungsansätze. Es seien keine Verbindungen der Örtlichkeiten zu ungeklärten Tötungs- beziehungsweise Raubdelikten festzustellen.

   J. W. und T. S. seien Führungspersonen bei Blood & Honour in        Sachsen gewesen. Mit Ausnahme eines Beschuldigten im        Ermittlungsverfahren des GBA/BKA hätten weder        Unterstützungshandlungen für den NSU von B&HMitgliedern aus        Baden-Württemberg, noch direkte Kontakte zum Trio festgestellt        werden können. 

Eine Beteiligung der aus Baden-Württemberg stammenden Rechtsrockband „Noie Werte“ an der Auswahl ihrer beiden Lieder „Kraft für Deutschland“ und „Am Puls der Zeit“ für ein nichtveröffentlichtes NSU-Bekennervideo habe nicht nachgewiesen werden können. Dass ein persönlicher Kontakt der Bandmitglieder zum Trio bestand, lasse sich bisher nicht belegen.

Bei mehreren Kontaktpersonen des Trios seien Wohnungsumzüge nach Baden-Württemberg beziehungsweise aus Baden-Württemberg nach Thüringen/Sachsen festzustellen gewesen. Ein Zusammenhang zwischen den Umzügen und dem Abtauchen des Trios sei nicht zu belegen.

Ein direkter Bezug von KKK-Strukturen in Baden-Württemberg zum NSU habe nach vorliegenden Erkenntnissen nicht bestanden. Durch die Ermittlungen der EG Umfeld seien strafbare Handlungen durch einzelne KKK-Klans nicht bekannt geworden.

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Anhang

Vorgeschichte zur EG Umfeld:

Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen sind zunächst von der am Tattag zur Tataufklärung bei der Polizeidirektion (PD) Heilbronn eingerichteten Soko Parkplatz geführt worden. Am 20. Februar 2009 hat das LKA BW die weiteren Ermittlungen übernommen. Nach dem Auffinden der bei der Tat in Heilbronn entwendeten Dienstwaffen in Thüringen am 4. November 2011 ist die Soko Parkplatz ab dem 5. November 2011 personell verstärkt worden (auf 39 Beamte). Verbindungsbeamte sind unverzüglich nach Gotha/ Thüringen und Zwickau/Sachsen entsandt worden.

Am 11. November 2011 hat der GBA die Gesamtermittlungen zum NSU übernommen und das BKA mit der Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung beauftragt. Hierzu hat das BKA die Besondere Aufbauorganisation (BAO) Trio mit regionalen Ermittlungsabschnitten (RegEA) Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen eingerichtet. Die Soko Parkplatz ist als RegEA BW (39 Beamte, 33 Beamte ab 22. November 2011 und 28 Beamte ab 2 .Januar 2012) in die BAO eingegliedert worden.

Der RegEA BW ist am 26. April 2012 aufgelöst und die Ermittlungen sind zentral durch das BKA weitergeführt worden. Konkrete Anfragen oder Ermittlungsaufträge des BKA zum Mord und versuchten Mord in Heilbronn sind in der Folge in der zuständigen Regelorganisation des LKA BW bearbeitet worden. Daneben hat das LKA BW bereits am 17. November 2011 bei der Abteilung Staatsschutz die EG Rechts (zwischen sechs und 13 Beamte) eingerichtet. In Absprache mit dem RegEA BW sind dort alle eingehenden Hinweise und weiterführenden Ermittlungen zum Verfahren des GBA, die keinen unmittelbaren Bezug zur Tat in Heilbronn aufwiesen, bearbeitet worden.

Darüber hinaus hat die EG Rechts bislang nicht geklärte schwere Straftaten mit möglichem Bezug zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) auf eine mögliche Täterschaft des NSU untersucht, die vom BKA versandte Personen-/Objektliste überprüft und bewertet sowie die Profile rechter Gruppierungen aus Baden-Württemberg aktualisiert beziehungsweise bewertet. Nach Auflösung der EG Rechts am 3. August 2012 sind Aufträge der BAO Trio ohne Bezug zum Mord und versuchten Mord in Heilbronn in der Regelorganisation der Abteilung Staatsschutz des LKA BW bearbeitet worden.

Nachdem im Zuge der weiteren Ermittlungen des BKA und der Anklageerhebung des GBA am 8. November 2012 Ermittlungsüberhänge bekannt wurden, das heißt insbesondere personelle – strafrechtlich zunächst nicht relevante – Bezüge nach Baden-Württemberg, die nicht Teil der Anklage des GBA waren, wurde am 28. Januar 2013 die EG Umfeld bei der Abteilung Staatsschutz des LKA BW zur Durchführung polizeirechtlicher Ermittlungen eingerichtet.

Arbeitsweise der EG Umfeld:

Die Ermittlungen der EG Umfeld werden auf Basis des Polizeigesetzes Baden-Württemberg (PolG BW) geführt. Die Befragungen nach dem PolG BW setzen die Mitwirkungsbereitschaft der Befragten voraus. Polizeirechtliche Strukturermittlungen umfassen üblicherweise keine Zwangsmaßnahmen und beschränken sich auf informelle Erhebungen.

Bei einzelnen Ermittlungsersuchen des BKA zu den Straftaten des NSU unterstützt die EG Umfeld das BKA. Die EG Umfeld ist hierbei an den Auftrag des BKA gebunden. Eigene Handlungsbefugnisse zu diesen in der Zuständigkeit des BKA liegenden Sachverhalten, zum Beispiel in Bezug auf die Tat in Heilbronn, bestehen nicht. Diese das BKA unterstützenden Ermittlungen werden nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) durchgeführt.

Das BKA wurde seit Einsetzung der EG Umfeld in insgesamt fünf Aktenanforderungen um Übersendung von nahezu 200 gesonderten Aktenbestandteilen gebeten. Die fünfte und letzte Aktenanforderung wurde dem BKA im November 2013 übersandt, die Aktenübersendung durch das BKA ging Mitte Januar 2014 bei der EG Umfeld ein. Einzelne Aktenanforderungen wurden bislang vom GBA nicht für eine Weitergabe an die EG Umfeld genehmigt. Außerdem wurden separate Sachstandsanfragen zu durch den RegEA BW bearbeiteten und in der Folge an das BKA abgegebenen und dort eventuell weiterbearbeiteten Spuren gestellt. Diese sind bislang vom GBA ebenfalls nicht für eine Weitergabe an die EG Umfeld genehmigt worden.

Im Übrigen war die EG Umfeld auch in die zur Beantwortung der Beweisbeschlüsse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses NSU im Bundestag erforderlichen Recherchen und Aktenübersendungen eingebunden. Zwei Beamte der EG Umfeld waren von der 36. bis zur 49. Kalenderwoche 2013 nur mit der Aufbereitung und Übersendung von Akten der ehemaligen Soko Parkplatz an das BKA beauftragt. Beim BKA fand ab Oktober 2013 eine Revision sämtlicher bei den Tatortdienststellen verbliebenen Akten aus den Ursprungsverfahren der BAO „Bosporus“, „Soko Parkplatz“ und dem Sprengstoffanschlag in Köln im Auftrag des GBA statt.

Als für die Ermittlungen der EG Umfeld relevant im engeren Sinne (Kategorien 1 A, 1 B und 2 der EG Umfeld) wurden insgesamt 52 Personen erachtet, bei denen ein direkter Kontakt zum Trio beziehungsweise zu den Kontaktpersonen des Trios nachgewiesen ist und bei denen ein Bezug zu Baden-Württemberg besteht.

Bei den Personen aus der Kategorie 1 A handelt es sich um Personen mit Bezug zu Baden-Württemberg und aktuellem oder ehemaligem Wohnsitz in Baden-Württemberg sowie direktem Kontakt zum Trio (acht Personen).

Bei den Personen aus der Kategorie 1 B handelt es sich um Personen mit Bezug zu Baden-Württemberg allerdings ohne Wohnsitz in Baden-Württemberg, aber mit direktem Kontakt zum Trio (15 Personen). Bei den Personen aus der Kategorie 2 handelt es sich um Personen mit Bezug zu Baden-Württemberg und Kontakt zu direkten Kontaktpersonen des Trios (29 Personen).

Als weniger relevant wurden Personen aus der Kategorie 3 erachtet. Diese wurden jedoch ebenfalls in die Ermittlungen miteinbezogen. Hierbei handelt es sich um insgesamt 35 Personen mit Bezug zu Baden-Württemberg, bei denen ein Kontakt zum Trio vermutet wird (zum Beispiel aufgrund von Beweismitteln des BKA wie Briefen oder festgestellter Nutzung der Personalien durch Mitglieder des NSU als Aliaspersonalien) beziehungsweise bei denen ein (zum Teil zumindest mittelbarer) Bezug zu Beschuldigten im NSU-Verfahren besteht sowie um weitere Personen mit möglichem NSU-Bezug.

Bei den Ermittlungen der EG Umfeld und bei der Definition und Kategorisierung des hierfür relevanten Personenkreises wurden auch die sogenannte „129er-Liste“, die „Mundlos-Briefe“ und die „Telefonliste des Mundlos“ berücksichtigt. Bei der „129er-Liste“ handelt es sich um eine Zusammenstellung von 129 Personen, die im Zusammenhang mit dem NSU relevant sein könnten. Vier der 129 Personen wohnen aktuell in Baden-Württemberg. Die Zusammenstellung der Liste erfolgte durch das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Liste ist mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Vertraulich“ eingestuft. Diese Liste war unter anderem auch Grundlage diverser Beweisbeschlüsse des PUA NSU.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Gera gegen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe erfolgte am 26. Januar 1998 bei den Personen eine Durchsuchung. In einer Garage („Garage 5“) wurden verschiedene Gegenstände, darunter die „Mundlos-Briefe“ und eine Liste („Telefonliste Mundlos“) sowie weitere Notizzettel mit Kontaktdaten aufgefunden, die dem Trio zugeordnet werden.

Rückfragen bitte an:

Landespolizeipräsidium Stuttgart
Telefon: 0711 231-4
E-Mail: poststelle@im.bwl.de
http://www.polizei-bw.de/

Quelle: news aktuell / dpa