POL-FR: Gemeinsame Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft Freiburg, Bundespolizei und Polizeipräsidium Freiburg zur Gemeinsamen Ermittlungsgruppe von Bundes- und Landespolizei (GEG) „Papyrus“

14.01.2015 – 14:00

Freiburg (ots) – Freiburg – Am 14.01.2014, ab 11 Uhr, fand beim Polizeipräsidium Freiburg ein Pressegespräch zur Gemeinsamen Ermittlungsgruppe von Bundes- und Landespolizei „Papyrus“ gegen eine Schleuserbande statt. Vertreter der beteiligten Behörden stellten die komplexen Ermittlungen vor und erläuterten Hintergründe und Maßnahmen. >

Am Gespräch nahmen teil:

   -	von der Staatsanwaltschaft Freiburg: Herr Oberstaatsanwalt  Michael Mächtel, 
   -	von der Bundespolizei: Herr Polizeihauptkommissar Friedrich  Hassel (Stellvertretender Leiter der GEG Papyrus) und 
   -	vom Polizeipräsidium Freiburg: Herr Kriminaloberrat Holger  Scheller (Leiter der Kriminalinspektion 4) und Herr  Kriminaloberkommissar Dirk Schäfer (Leiter der GEG Papyrus). 

Einbruchsdiebstähle in Rathäuser

Im Bereich der damaligen Polizeidirektionen Emmendingen und Freiburg sowie dem Bundesland Berlin kam es zwischen 2009 und 2013 zu mehren versuchten sowie vollendeten Einbrüchen in verschiedene Rathäuser, bei denen gezielt Blankodokumente (Kinderreisepässe, vorläufige Reisepässe, vorläufige Bundespersonalausweise) sowie Aufkleber für Verlängerungen von Personaldokumenten und bereits ausgestellte Ausweise und Siegel entwendet wurden.

Auffälligkeiten bei Grenzkontrollen

Seit Dezember 2012 fielen die aus den Jahren 2009 bis 2012 entwendeten Blankodokumente überwiegend bei Grenzkontrollen an meist türkischen Flughäfen auf. Zielflughäfen waren regelmäßig innerhalb Deutschlands, teilweise auch in den Niederlanden. Weiterhin fielen verfälschte Personaldokumente bei Einreisenden aus der Türkei auf. Hierbei handelte es sich überwiegend um syrische Staatsangehörige. Auffällig war, dass bereits am 07.05.2013 Dokumente bei einreisenden Personen festgestellt wurden, die bei dem erst wenige Tage zuvor erfolgten Einbruch in ein Rathaus (Ihringen) als Blankodokumente entwendet worden waren. Auffällig war zudem, dass es zu einer Vermischung von entwendeten Blankodokumenten aus unterschiedlichen Taten gekommen war.

Nach Information der Bundespolizei gelangten die Blankodokumente unmittelbar nach der Erlangungstat auf bislang nicht bekanntem Weg in die Türkei, wo diese mit Bildern und Daten syrischer Staatsangehöriger versehen wurden. Die Bilder wurden von Schleusungswilligen zuvor per E-Mail an die Schleuserhelfer übermittelt oder bei einem direkten Treffen in Istanbul/Türkei übergeben. Im Durchschnitt mussten die Schleusungswilligen 8.000 EUR pro Dokument/Schleusung bezahlen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die Dokumentenfälscher sogar auf Bestellung durch die Einbrecher versorgt.

Insgesamt wurden mindestens 93 Personen (66 Erwachsene, 19 Heranwachsende, sieben Kinder) mit gefälschten Ausweisdokumenten, die nachweislich aus den Einbrüchen stammten, bei Schleusungen aus der Türkei an verschiedenen deutschen Flughäfen festgestellt.

Verfahren aus Dortmund

Parallel hierzu wurde von der Staatsanwaltschaft Freiburg nach Übersendung einer Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft Dortmund ein Verfahren gegen einen 37-jährigen irakischen Staatsangehörigen aus dem Kreis Breisgau Hochschwarzwald übernommen, der gewerbsmäßig sowie als Teilnehmer einer Bande illegal Menschen nach Deutschland schleuste. Durch den Mann sollen mehrere Schleusungen initiiert und in Auftrag gegeben worden sein, für welche er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die notwendigen Blankodokumente besorgte oder besorgen ließ.

Weiterhin konnte bei der Auswertung der übersandten Akte festgestellt werden, dass ein zunächst unbekannter und später identifizierter deutscher Staatsangehöriger bei Einbrüchen entwendete Blankodokumente fortwährend an den irakischen Staatsangehörigen verkaufte, welche dann für Schleusungsversuche eingesetzt wurden. Es erhärtete sich der Verdacht, dass dieser Mann Einbrüche in hiesige Rathäuser initiierte bzw. in Auftrag gab.

Einrichten der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) „Papyrus“

Im November 2013 wurde unter Federführung der Kriminalpolizei Freiburg die Gemeinsame Ermittlungsgruppe von Bundes- und Landespolizei (GEG) „Papyrus“ ins Leben gerufen.

Im Rahmen des Ermittlungskomplexes wurde in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Freiburg eine Vielzahl von verdeckten und offenen Maßnahmen vorgenommen.

Insgesamt kam es zu drei größeren Durchsuchungsaktionen

Aktion 1: 07.05.2014: acht Durchsuchungsobjekte, zwei Haftbefehle:

Unter Beteiligung von Spezialkräften der Bundes- und Landespolizei wurden sieben Objekte in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen und Offenburg durchsucht. Bei den beiden Hauptbeschuldigten wurden zuvor erwirkte Haftbefehle vollstreckt. Der 42-jährige deutsche – ehemals aus Polen stammende – Hauptbeschuldigte wurde an seiner Wohnanschrift im Landkreis Breisgau Hochschwarzwald durch Kräfte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Baden-Württemberg festgenommen. Aufgrund vorliegender Erkenntnisse musste davon ausgegangen werden, dass er bewaffnet sein könnte. Bei der Durchsuchung wurde dann auch eine scharfe Schusswaffe (abgesägte „Pumpgun“) samt Munition sichergestellt.

Ein weiterer 37-jähriger irakischer Hauptbeschuldigter ebenfalls aus dem Kreis Breisgau Hochschwarzwald wurde parallel hierzu in Erlangen in Zusammenarbeit mit Beamten der Polizeiinspektion Erlangen festgenommen.

Die Personen wurden am Nachmittag des 07.05.14 dem Haftrichter vorgeführt, welcher alle Haftbefehle in Vollzug setzte.

Aktion 2: 13.05.2014: elf Durchsuchungsobjekte, drei Haftbefehle:

Es erhärtete sich der Verdacht, dass der genannte deutsche Hauptbeschuldigte mehrere Einbruchsdiebstähle in Behörden in Freiburg und Offenburg in Auftrag gab. Hierbei soll er als Auftraggeber und als wichtiges Bindeglied zur Schleusergruppierung fungiert haben.

Ein weiterer 40-jähriger deutscher Beschuldigter aus dem Kreis Breisgau Hochschwarzwald soll hierbei als Kopf einer Einbrecherbande fungiert haben, welche teilweise in unterschiedlicher Besetzung agierte und den bisherigen Ermittlungen nach sowohl eigeninitiativ Straftaten beging als auch im gezielten Auftrag. Weitere Verfahren gegen die mutmaßlichen Einbrecher wurden separat geführt. Beispielhaft sei hier ein Einbruch in die Büroräumlichkeiten einer in der Freiburger Innenstadt liegenden Gaststätte genannt, bei dem ca. 30.000 Euro erbeutet wurden. Der etwa 300 Kilo schwere Tresor wurde hierbei technisch versiert und professionell geöffnet.

Am 13.05.2014 wurden dann in einer zweiten Aktion auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Freiburg an elf Objekten weitere insgesamt 13 Durchsuchungen durchgeführt und gemeinsam mit Spezialkräften der Bundespolizei weitere drei Untersuchungshaftbefehle gegen dringend Tatverdächtige des Ermittlungsverfahrens vollstreckt. Diese konnten zeitgleich an ihren jeweiligen Wohnanschriften in verschieden Landkreisen der Regierungspräsidien Freiburg und Offenburg festgenommen werden. Die Personen wurden am Nachmittag des 13.05.14 dem Haftrichter vorgeführt, welcher alle Haftbefehle in Vollzug setzte.

Aktion 3: 17.07.2014: ein Durchsuchungsobjekt, ein Haftbefehl:

Am 08.07.2014 konnten nach einem anonymen Hinweis 69 Blankodokumente und Ausweispapiere, die im Zeitraum zwischen dem 30.11.13 und dem 01.12.2013 im Rathaus in Schliengen, Landkreis Lörrach, bei einem Einbruchsdiebstahl entwendet worden waren, sichergestellt werden. Ein Teil der in Schliengen entwendeten Blanko-Dokumente war bereits im Februar 2014 bei Schleusungen verwendet worden.

Am 17.07.2014 erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen im Landkreis Breisgau Hochschwarzwald. Hierbei konnten weitere Beweise aufgefunden und gesichert werden. Für den weiteren Beschuldigten wurde beim Amtsgericht Freiburg ebenfalls ein Haftbefehl erwirkt. Der 39 Jahre alte Mann deutscher Nationalität aus dem Kreis Breisgau Hochschwarzwald konnte noch am selben Tage im Bahnhof Basel (Badischer Bahnhof) festgenommen werden. Am 18.07.2014 erfolgte die Vorführung beim Haftrichter des Amtsgerichts Freiburg, der die Untersuchungshaft anordnete.

Erkenntnisse für weitere Betrugsdelikte

Aus den Ermittlungen sowie aus den o. g. Aktionen ergaben sich weitere Erkenntnisse zu Betrugsstraftaten (gewerbs- und bandenmäßiger Betrug). Daher wurde gegen drei der obigen Beschuldigten ein neues Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Freiburg eingeleitet. Die Bearbeitung erfolgt ebenso durch die GEG Papyrus, da die Übergänge zum Schleusungsverfahren fließend waren.

Die bisherigen Ermittlungen legen nahe, dass die Beschuldigten mehreren geschädigten Firmen und Unternehmen vortäuschten, für Projekte im Bereich erneuerbare Energien Darlehen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe gewähren zu können. Es wurde hierbei in Aussicht gestellt, Projekte ohne jegliches Eigenkapital, jedoch gegen eine gewisse „Gebühr“ finanzieren zu können. Dabei wurde nach derzeitigem Stand vorgetäuscht, dass das erforderliche Eigenkapital durch eine Drittfirma sowie durch eine Stiftung in Dubai finanziert bzw. zur Verfügung gestellt werde. Derzeit besteht der Verdacht, dass durch die Beschuldigten bei insgesamt acht Geschädigten ein Schaden von mehr als einer halben Million Euro verursacht worden sei.

Vorläufige Zusammenfassung, Stand 14.01.2015

Im Ermittlungskomplex der GEG Papyrus wurden 21 Durchsuchungen durchgeführt und umfangreiches Beweismaterial sichergesellt. Für sieben Tatverdächtige wurden Untersuchungshaftbefehle von der Staatsanwaltschaft Freiburg beantragt und aufgrund der Verdachtslage (dringender Tatverdacht) vom Amtsgericht Freiburg erlassen. Sechs Tatverdächtige befinden sich bis zum heutigen Tage in Untersuchungshaft.

Verhandlung vor großen Strafkammern des Landgerichts Freiburg

Die aus den gewonnenen Erkenntnissen resultierenden Strafverfahren werden ab Mitte Januar vor großen Strafkammern des Landgerichts Freiburg verhandelt.

dk/ds

Rückfragen bitte an:
Herrn Klose
Polizeipräsidium Freiburg
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0761 882-1010
E-Mail: freiburg.pp@polizei.bwl.de
http://www.polizei-bw.de/

Quelle: news aktuell / dpa