11.09.2015 – 09:49
Rems-Murr-Kreis (ots) – Kinder brauchen unseren Schutz! Nein; wir müssen Kinder früh selbständig machen! Kinder sind unser größtes Gut, das wir behüten müssen! Nein; überbehütete Kinder werden sich nie zurechtfinden! „Es ist äußerst selten, dass so stark widersprüchliche Aussagen alle für sich doch wahr sind“, meint Jürgen Oesterle, „aber im Straßenverkehr sind sie alle richtig. Das größte Problem ist es, hier die richtige Balance zu finden“. Der Verkehrspräventionsexperte der Waiblinger Polizei denkt dabei an das Thema „Kinder und Straßenverkehr“. Das neue Schuljahr beginnt und damit kommen altbekannte Problemstellungen auf neue Kinder und frisch gebackene ABC-Schützen-Eltern zu.
Größte Gefahr: die Eltern
Eine Aussage dürfte dabei aber immer richtig sein: niemand will Kinder im Straßenverkehr bewusst verletzen. „Aber es werden einfach zu viele Fehler gemacht und Nachlässigkeiten begangen“, ist sich der Sprecher des Aalener Polizeipräsidiums, Bernhard Kohn, sicher und setzt noch eine ganz provokante Aussage oben drauf: „und oft sind es leider gerade die Eltern, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr die größte Gefahr für ihre Kinder darstellen“. Die Verkehrsprävention empfiehlt, Kinder frühzeitig zur Selbständigkeit im Straßenverkehr zu erziehen. „Klar müssen sie dazu erst ertüchtigt werden, müssen durchaus im Sinne des Wortes an die Hand genommen werden. Die Eltern müssen den besten Schulweg kennen und ihn solange mit ihren Kindern üben, bis sie ihn alleine gehen können“, erklärt Oesterle. Und der beste Weg ist dabei nicht der kürzeste, sondern der beste ist immer der sicherste. Wer sich unsicher ist, welches der richtige Weg ist, soll bei der jeweiligen Schule nachfragen. Dort hat man entweder den Schulwegplan vorliegen oder kann ihn bei der zuständigen Kommune anfordern. Grundschulklassen können mit der Verkehrsprävention der Waiblinger Polizei auch ein individuelles Schulwegtraining vereinbaren. Dann kommt die Polizei und übt mit den Kindern auch noch einmal. „Nicht als Ersatz für die Eltern, sondern in Ergänzung zu den Eltern“, wie Oesterle wichtig ist, „denn wir wollen den Eltern nichts wegnehmen, noch nicht einmal ihre ureigene Verantwortung für ihre Kinder“, erklärt der Verkehrssicherheitsexperte mit einem Augenzwinkern.
Gute Statistik und doch nicht zufrieden
In Baden-Württemberg ist das Risiko auf dem Schulweg zu verunglücken im Ranking der Bundesländer traditionell mit am geringsten. „Schauen wir uns im Rems-Murr-Kreis die letzten drei Jahre an, werden jährlich 33 Kinder und Jugendliche auf dem Schulweg verletzt; kein Schüler wurde getötet“ bemüht Kohn die Statistik und fast könnte man meinen, dass dann ja schon vieles in Ordnung scheint. „Den Schreck, den Schmerz, das Leid und die anschließende Unsicherheit bei denen, die betroffen waren, müssen wir sicher niemand erklären. Wir wollen so viele wie möglich davor bewahren, am liebsten alle.“ Dass die Wünsche der Polizei und die der Eltern dabei absolut übereinstimmen, verwundert nicht.
Die Helikoptereltern
Allerdings ist man sich bei der Art und Weise, wie das Ziel zu erreichen ist, teilweise recht uneins. Und hier kommt der Begriff der Helikoptereltern ins Gespräch. Ein neues Phänomen sind sie nicht, neu ist, dass sie praktisch bundesweit ein medienwirksames Thema geworden sind. Behüten wollen sie immer, loslassen können sie nicht oder nur schwer, ängstlich sind sie, überängstlich manchmal, und sie sind gefährlich, wie die Polizei sagt. Helikoptereltern sind die Eltern, die ihre Kinder überall hin fahren, auch am Morgen zu Schule. Kennzeichnend ist dabei das Bemühen, möglichst nah an die Schule zu fahren, dorthin, wo es dann eng wird, weil dort auch die anderen Helikopter landen und auch diejenigen durchmüssen, die zur Schule laufen. Von haarsträubenden und gefährlichen Situationen können Lehrer, Eltern und Polizei berichten. Rechts und links ranfahren, rangieren, wenden, ausweichen und dazwischen das Kind aussteigen lassen. Küsschen auf die Backe, Handkuss hinterher, halt, zurück, Pausenbrot vergessen, im Slalom zwischen Schülerbeinen und Elterntaxis weiter, Blick auf die Uhr, Gedanken schon beim Einkauf und am Arbeitsplatz; jetzt käme noch das Wundern, dass wieder nichts passiert ist, aber keine Zeit, nächste Aufgabe.
Gehen statt Fahren
Schulen und Polizei sind sich einig: die Kinder sollen nicht gefahren werden, sie sollen zu Fuß zur Schule gehen. Nicht nur, weil die meisten Kinder, die im Straßenverkehr verletzt werden, als Mitfahrer im Auto verletzt werden, sondern eben auch, weil Bewegung an der frischen Luft gut tut; weil gemeinsam zur Schule gehen, Kontakte bringt und soziale Kompetenzen schafft und nicht zuletzt weil die Kinder lernen, sich im Straßenverkehr sicher zu bewegen. Sie morgens durch den Transport im Elterntaxi zu bewahren und nachmittags mit dem Fahrrad auf die Straße zu schicken, passt nicht zusammen. Kinder müssen langsam, aber beständig an den Straßenverkehr herangeführt werden, sie müssen ihn erlernen, wie lesen und rechnen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber man kann und soll es frühzeitig beginnen. Und wenn die Fahrt im Elterntaxi mal unvermeidbar ist, empfiehlt die Polizei: suchen Sie sich einen Platz aus, an dem gefahrlos geparkt werden kann, wo das Kind nicht in den fließenden Verkehr aussteigen muss und zeigen Sie ihm auch hier den sicheren Weg bis zur Schule. Und der darf schon ruhig auch zwei, dreihundert Meter weit sein.
Empfehlungen, Kontrollen, Strafen
Es gibt noch viele Empfehlungen. Von der sicheren, weil hellen und reflektierenden Kleidung, über den Fahrradhelm auf dem Fahrrad oder dem City-Roller, bis zum richtigen Kindersitz, muss an vieles gedacht werden. Die Polizei unterstützt sie dabei. Nicht nur in Form von Vorträgen an Schulen, von Fahrradtraining ähnlichen Schulungen, sondern auch durch viele Verkehrskontrollen, die wie jedes Jahr in den ersten zwei Schulwochen ganz intensiv stattfinden. Überall auf den Schulwegen, an erkannten Gefahrenstellen, Fußgängerüberwegen, Bushaltestellen und gerade im Bereich um die Schulen, wird der Verkehrsteilnehmer beobachtet, kontrolliert und wo möglich, mit ihm gesprochen und wo nötig auch kostenpflichtig belehrt. Dabei werden nicht nur, aber auch, die Elterntaxis unter die Lupe genommen. Und wenn Sie alles richtig machen, haben wir alle die große Chance, mit noch weniger Schulwegunfällen durchs Jahr zu kommen.
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