29.04.2015 – 09:00
Osnabrück/Leer/Aurich/Wittmund/Norden/Emden/Papenburg/Lingen/Meppen/Nordhorn/Hannover (ots) – 45 % mehr verletzte Polizisten in der Polizeidirektion Osnabrück in 2014 – Statistisch jeden zweiten Tag ein Beamter Opfer von Gewalt – Alkohol spielt oftmals eine Rolle
Der bevorstehende 1. Mai wie auch der Vatertag an Christi Himmelfahrt sind aus Sicht der Polizei Einsatztage, an denen es vermehrt zu Gewaltdelikten kommt – auch Polizisten selbst werden immer öfter Opfer von Gewalt. Polizeipräsident Bernhard Witthaut: „Sicherlich gehört es zur staatlichen Aufgabe der Polizei, sich mit gewalttätigen Personen auseinanderzusetzten. Was aber im Jahre 2014 in der Polizeidirektion Osnabrück geschehen ist, muss uns alle mit großer Sorge erfüllen.“
Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Zahl der verletzten Ordnungshüter um 67 auf 208 zu – das ist eine Steigerung um 45 %. Beim Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ teilen sich die Delikts-felder überwiegend in die Straftatbestände Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen und Körperverletzungsdelikte gegen Vollstreckungsbeamte auf. Die Gesamtzahl der Fälle stieg in der Polizeidirektion im Jahre 2014 deutlich um rund 22 % auf 508 angezeigte Taten an und befindet sich aktuell auf einem 10-Jahres-Hoch. Witthaut: „Statistisch ist 2014 mehr als jeden zweiten Tag ein Polizeibeamter der Polizeidirektion im Dienst verletzt worden.“ Insgesamt wurden 30 Poli-zeibeamte im Dienst durch Widerstandshandlungen so schwer verletzt, dass sie für mehrere Tage oder Wochen dienstunfähig waren und teilweise im Krankenhaus behandelt werden mussten. Im Vergleich zum Vorjahr – mit 16 dienstunfähigen Beamten – hat sich die Zahl nahezu verdoppelt. Witthaut: „Die Zahlen sind besorgniserregend und nicht akzeptabel. Ich frage mich, was ist eigentlich in der Gesellschaft los?“
Warum wurden deutlich mehr Polizisten Opfer von Gewalttaten? Dazu Witthaut: „Der teilweise extreme Alkoholkonsum spielt eine entscheidende Rolle. Er führt zu einem enthemmten und respektlosen Auftreten gegenüber der Polizei sowie zu unberechenbaren und gefährlichen Situationen für die einzelnen Polizeibeamten.“ Rund 74 % aller Taten in 2014 geschahen unter dem Einfluss von Alkohol bzw. anderer Drogen – 2013 lag der Wert noch bei 60 %. Spitzenwerte über 2-3 Promille sind leider keine Seltenheit mehr. Einen Rekordwert erreichte eine Frau aus Leer mit 3,6 Promille, die zuerst einen Polizeibeamten mit voller Wucht gegen das Schienbein trat und anschließend versuchte, ihn zu beißen. Sie verbrachte die Nacht zur Ausnüchterung in einer Gewahrsamszelle bei der Polizei.
Der Polizeipräsident forderte im Hinblick auf die aktuelle Umsetzung der EU-Richtlinie Mindeststandards für Opfer von Straftaten: „Bei der Umsetzung eines neuen Opferschutzgesetzes in Deutschland müssen die Regelungen auch gleichwertig für den einzelnen Polizeibeamten gelten.“ Beispielhaft nannte er die künftig für Opfer zeitnahe und kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung als Unterstützungsleistung. Eine Bund-Länder AG des Bundesjustizministeriums beschäftigt sich zur Zeit mit einem entsprechend Gesetzesentwurf. Zudem befasst sich die Polizeidirektion intern im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft insbesondere mit dem Thema, ob und wie das polizeiliche Einsatztraining und die Unterstützung der durch die Gewalt betroffenen Kolleginnen und Kollegen optimiert werden können. Erste konkrete Ergebnisse stehen bereits vor der Umsetzung. Beispielsweise erarbeitet die Polizeidirektion einen Vorschlag zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes – zur Vereinfachung der Verwaltungspraxis für die betroffenen Polizeivollzugsbeamten. Aber auch die Einführung einer Sperrstunde in den Städten könne nach Meinung des Polizeipräsidenten mit dazu beitragen, die Zahl der Gewaltdelikte zu reduzieren. „Aus polizeilicher Sicht haben wir zum Beispiel auch gute Erfahrungen mit der Einführung von Sperrstunden in Städten gemacht.“
Betroffen zeigte sich der Polizeipräsident wegen der zunehmenden Intensität von Gewalt, die seine Kolleginnen und Kollegen im täglichen Dienst erfahren. „Heutzutage werden die Polizeibeamten nicht mehr einfach nur beschimpft. Sie werden oft sofort bespuckt, massiv beleidigt, teilweise gebissen und regelmäßig körperlich angegriffen“. Es ging bei manchen Einsätzen im letzten Jahr sogar noch weiter: Dies zeigt ein Fall aus dem Landkreis Osnabrück. Hier randalierte ein junger Mann Ende September 2014, nachts in seiner Wohnung. Als die Beamten versuchten die Situation vor Ort zu klären, stach er plötzlich und unvermittelt mit einem Messer auf einen Beamten ein und verletzte diesen schwer an der Schulter. Bei der anschließenden Festnahme verletzte der stark alkoholisierte Randalierer noch weitere Polizisten leicht. Der schwer verletzte Polizist lag für einige Tage im Krankenhaus und war über 6 Monate dienstunfähig. Aktuell befindet er sich in einer Wiedereingliederungsmaßnahme. Nach wie vor hat der Beamte damit zu kämpfen, dieses für ihn traumatische Ereignis zu verarbeiten. Der Täter sitzt seit dem Vorfall in Untersuchungshaft und muss sich für seine Tat vor dem Landgericht Osnabrück wegen versuchter Tötung verantworten.
Weitere Beispiele:
Auch in Esens (Landkreis Wittmund) musste ein Beamter nach einem Einsatz im Krankenhaus behandelt werden. Was war passiert? Bei der Festnahme versetzte der stark alkoholisierte junge Mann einem der Ordnungshüter einen sehr schmerzhaften Kopfstoß mitten ins Gesicht. In Norden (Landkreis Aurich) sind zwei Personen bei einem Ladendiebstahl beobachtet worden. Als die herbeigeeilten Polizisten die beiden Diebe mit zur Dienststelle nehmen wollten, schlugen sie heftig um sich und verletzten dabei einen der Beamten am Knie.
In Emden wurde die Polizei zu einer Familienstreitigkeit gerufen. Als die Polizisten für Ruhe sorgen wollten, schlug die stark alkoholisierte Ehefrau einer Beamtin mit der Faust mitten ins Gesicht und beleidigte sie auch noch massiv. (Die renitente Frau wurde mitgenommen und ver-brachte die Nacht in der Gewahrsamszelle.) In Nordhorn wollten Einsatzbeamte einen PKW kontrollieren. Der Fahrer des Autos reagierte jedoch nicht auf die Haltesignale des Polizisten und fuhr direkt auf den Beamten zu. Der Polizei-beamte konnte sich gerade noch mit einem beherzten Sprung zur Seite retten und sich vor mög-lichen schweren Verletzungen schützen.
In Papenburg (Landkreis Emsland) alarmierte ein Wirt früh morgens nach einer Feier die Poli-zei. Der Betreiber einer Veranstaltungshalle hatte Probleme mit einigen stark alkoholisierten Gästen, die das Gelände einfach nicht verlassen wollten. Nach Eintreffen der Polizei reagierten die männlichen Personen sehr aggressiv und kamen der Aufforderung der Polizisten das Gelände zu verlassen, nicht nach. Ein Beamter ist im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung von hinten angegriffen und am Hals gewürgt worden. Weitere Polizisten sind zum Teil mit Gläsern angegriffen und extrem beleidigt worden. Ein Angreifer holte sogar mit einem Bierglas in der Hand zum Schlag bzw. Wurf aus. Nur durch den Einsatz von Pfefferspray konnte der Polizist den Wurf bzw. Schlag abwenden und schwere Verletzungen gerade noch verhindern.
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Marco Ellermann
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